Lasciate mi morire

mit Carmela Konrad, Sopran

Melancholie tritt uns in John Dowlands Lautenliedern entgegen – und eine musikalische Text- und Wortausdeutung, die ihresgleichen sucht. Im Kontrast dazu stehen italienische Werke, bei denen die Figuren das Herz auf der Zunge tragen und die Affekte fast im Zeitraffer durchlebt werden. Das "Lamento d'Arianna" ist sicherlich eines der expressivsten Werke von Claudio Monteverdi und steht im Zentrum des Programs und die erste Zeile gibt dem Programm den Titel: "Lasciate mi morire".
Das Program wurde erstmals am 7. September 2022 auf der Ufnau aufgeführt.

John Dowland
Come again, sweet love
Time stands still
Sorrow, stay

aus dem sogenannten Lautenbuch des Johann Sebastian von Hallwyl, Rom ca. 1638
Toccata

Claudio Monteverdi
Si dolce è il tormento
Lamento d'Arianna

Claudio Merula
Folle è ben

Robert Johnson
Almayne

John Dowland
In darkness let me dwell
Come heavy sleep
Flow my tears

 

Silvius Leopold Weiss, der Lauten-Entwickler

Solo-Programm

Als Silvius Leopold Weiss 1687 in Grottkau (heute Grodków nahe Breslau / Wroclaw) geboren wurde, wurde die 11-chörige Laute gespielt – komplett mit Darmsaiten bezogen und in einem Moll-Akkord gestimmt (nominell f’ d’ a f d A und dann die Bässe diantonisch je nach Tonart, z.B. G F E D C).

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11-chörige Barocklaute, anonym, mit bewegter Geschichhte:
Muschel wohl aus Bologna, wohl Mitte des 16. Jahrhunderts für eine mit 6-7 Chören versehrene Renaissancelaute gebaut;
Umbau im 17. Jahrhundert zu einer 10- bis 11-chörigen Laute;
Decke nach 1683 ersetzt;
nach 1718 zur 13-chörigen Barocklaute mit Bassreiter erweitert;
gedruckter Zettel: Johann Christoph Kretschmer, / me fecit, Franckfurt am Mayn [handschriftlich:] 1791 / Repariret;
im 19. Jahrhundert zur 6-saitigen Gitarre umgebaut;
im 20. Jahrhundert zu einer 10-chörigen Laute umgebaut;
1995 von Johannes Georg Houcken als 11-chörige Barocklaute restauriert.
Disposition: 11: 2x1 + 9x2 = 70,9 cm (beim 11. Chor 70,7 cm)

1710-1714 weilte Weiss im Gefolge des polnischen Prinzen Alexander Sobiewski in Rom, wo er auch als Continuospieler tätig war. Vermutlich hat er dort die italienische Tiorba umbesaitet und in die Barocklautenstimmung ohne Chanterelle versetzt (also d’ a f d A G und und dann die Bässe diantonisch je nach Tonart, z.B. F E D C H A G F), damit er in der ihm gewohnten Barocklautenstimmung denken konnte. Somit hat er das Instrument entwickelt, das heute „Deutsche Theorbe“ genannt wird. Eine 1613 von Vendelio Venere erbaute Tiorba wurde von Sebastian Schelle 1723 und 1726 zweimal umgebaut und dabei mit eiem Schwanenhals versehen (siehe unten). Diese umgebaute Tiorba dürfte eine Deutsche Theorbe  darstellen: Es gibt gegenüber der Tiorba im Prinzip keine bautechnische Veränderung – ausser bei Schelles Umbau –, sondern es wird nur die Besaitung und Stimmung verändert, wobei die Disposition meist auf sieben Chöre im petit jeu (den greifbaren Saiten über dem Griffbrett, die nur bis zum ersten Wirbelkasten reichen) ausgelegt zu sein scheint und nicht wie bei der Tiorba, die immer nur sechs Chöre (und sehr oft doppelchörig) im petit jeu hat. Die heute meist verwendete Tiorba mit sieben oder gar acht Chören im petit jeu ist eine moderne Erfindung. (Mehr Infos gibt's hier.)
Beim abgebildeten Instrument mit dem doppelten Schwanenhals scheint es sich um einen Versuch zu handeln, die neuen umsponnenen Saiten im Bassregister zu verwenden. Das klangliche Resultat ist wegen den viel zu langen Nachschwingens der umsponnenen Saiten unbefriedigend. Schelle baute 1728 seine grosse Deutsche Theorbe wieder mit der üblichen Halsverlängerung (1x1 + 6x2 = 88 cm / 7 (8) x 1 = 160 cm), für deren Bass-Saiten wiederum blanker Darm verwendet werden konnte.

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14-chörige Tiorba / Deutsche Theorbe nach Vendelio Venere, 1613; von Sebastian Schelle 1723 und 1726 umgebaut und mit doppeltem Schwanenhals versehen (Leipzig 3357), 2019 gebaut von Johannes Georg Houcken.
Disposition: 14: 7x2 = 86,2 cm / 3x1 = 106,5 cm / 4x1 = 120,0 cm

1711/12 ist erstmals die Verwendung der um 1660 entwickelten mit Silberdraht umsponnenen Darmsaiten auf einer Laute belegt – aber nur auf dem tiefsten Chor. Dieser neue Saitentyp provozierte offenbar die Entwicklung des nächsten Barocklautentyps: 1718/19 scheint Weiss an der Erfindung der 13-chörigen Barocklaute mit Bassreiter beteiligt gewesen zu sein. Jedenfalls kann der folgende Titel als die klangvollste Zahlungserinnerung an seinen Arbeitgeber August den Starken interpretiert werden: „Plainte de Mons: Weis sur la generosite de la grande Noblesse au cap de bonne esperance, en attendant la flotille d’or de leur promesse: compose le 11 Janvrier 1719“.

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13-chörige Barocklaute mit Bassreiter nach Johann Christian Hoffmann, Leipzig 1730 (Bruxelles MIM 3188; JCH 21), 2002 gebaut von Johannes Georg Houcken.
Disposition: 13: 2x1 + 9x2 = 70,5cm / 2x2 = 77,0 cm

Offenbar haben sich diese ergänzten Basschöre auf ausgesprochen grossen Lauten (mit Mensuren um 78 cm im petit jeu gegenüber ca. 70 cm der heutigen "Standard-Grösse") besser bewährt. (Lauten in verschiedenen Grössen waren damals viel öfter in Gebrauch als heute.) Fürst Prinz Phillipp Hyacinth von Lobkowitz (1680-1737) besass ein solch grosses Instrument von Thomas Edlinger und Weiss hat ihm eine Sonate gewidmet.

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13-chörige Barocklaute mit einfachem Schwanenhals nach Thomas Edlinger, Prag, ca. 1728 (Leipzig 3319 / 497), 1986 gebaut von Johannes Georg Houcken; später eingekürzt auf 72,5 / 77,0 cm; Rückbau auf die originale Mensur 2020 von Wolfgang Früh.
Disposition: 13: 2x1 + 9x2 = 77,8 cm / 2x2 = 83,2 cm

Es wurde behauptet, dass Weiss spätestens 1732 der Erfinder der Barocklaute mit Schwanenhals gewesen sei. Dies ist aus mehreren Gründen falsch:
Der Schwanenhals als eigenständiges Bauteil umfasst den ersten Wirbelkasten, der nicht mehr nach hinten abgeknickt, sondern in Verlängerung des Halses geführt wurde, dann eine in Richtung Bass geneigte Verlängerung, die an einen geschwungenen Schwanenhals erinnert und diesem Bauteil den Namen gab, und schliesslich den zweiten Wirbelkasten für die verlängerten Bass-Chöre.
Dieser Schwanenhals wurde bereits von Joachim Tielke und anderen Lautenmachern vor 1700 für die Angélique verwendet, einem Lauteninstrument mit fast vollständig diatonischer Tonleiter über alle 16 Saiten. Der Umbau einer 1669 von Pietro Railich gebauten Laute zu einer 11-chörigen Barocklaute mit Schwanenhals belegt, dass die Kombination Schwanenhals und Barocklautenstimmung bereits 1720 durch Anton Fichtl in Wien getätigt wurde. Zudem ist der früheste erhaltene doppelte Schwanenhals bereits 1728 nachweisbar (eine 15-chörige [!] Barocklaute von Jonas Elg, Stockholm). Aber Weiss scheint diese letzten beiden Entwicklungsstufen der Barocklaute – mit einfachem oder doppeltem Schwanenhals – gespielt zu haben. Der Grund dieser letzten Entwicklung der Barocklaute dürfte der Wunsch nach klanglicher Verstärkung des Bassregisters gewesen sein: Durch die Mensurverlängerung konnten auch für die tiefsten Bässe wieder blanke Darmsaiten mit ihrer knackigen Attacke verwendet werden. Zudem klingen Darmsaiten im Gegensatz zu umsponnenen Saiten nicht allzu lange nach.

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13-chörige Barocklaute mit einfachem Schwanenhals nach Johann Christian Hoffmann, Leipzig 1730 (Bruxelles MIM 3188; JCH 21), 2008 als 13-chörige Barocklaute mit Bassreiter gebaut von Johannes Georg Houcken; Umbau des Wirbelkastens zum Schwanenhals-Typus  2016 von Wolfgang Früh.
Disposition: 13: 2x1 + 6x2 = 70,5 cm / 5x2 = 98,3 cm

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13-chörige Barocklaute mit doppeltem Schwanenhals; Korpus nach Leopold Widhalm, Nürnberg 1755 (Nürnberg MI 903); Hals nach Martin Jauck, Graz 1734 (Wien GdM 61), 2004 gebaut von Michael Thames.
Disposition: 13: 2x1 + 6x2 = 72,0 cm / 3x2 = 89,0 cm / 2x2 = 102,0 cm

Die Barocklaute verlor 1750 mit dem Tod von Weiss ihren bedeutendsten deutschen Vertreter und verschwand mehr und mehr. Eine Verwandte der Barocklaute, die Mandora, ebnete der Gitarre den Weg zu ihrer 6-Saitigkeit um 1800 und ermöglichte deren Siegeszug als wichtigstes Zupfinstrument.

Im Konzertprogramm werden all diese Barocklautentypen zum Klingen gebracht, so dass die klangliche Entwicklung der Instrumente wie auch die stilistische Entwicklung der Musik vom einfachen Tanzsatz bis zur Sonatenhauptsatzform nachvollzogen werden kann.